Liebfrauenkirche Moringen

Liebfrauenkirche Moringen, Foto: Peter Pratsch 2023

Kirchstraße 2
37186 Moringen
 

Die erste Kirche im Oberdorf

Im heutigen Oberdorf lag der Thingplatz der germanischen Siedlung Morunga. Die Siedlung lag an einem flachen See, der im Lauf der Jahrhunderte verlandete. Die Umrisse des alten Cherusker-Dorfes lassen sich bis heute im Straßenverlauf erkennen. Auch der sagenumwobene "Opferteich" erinnert an diese Zeit.

Seit dem 7. Jahrhundert befanden sich die heidnischen Sachsen mit den christlichen Franken im poltisch-militärischen Dauerkonflikt. Unter Karl dem Großen gewannen die Franken die Oberhand. Im Rahmen der Sachsenkriege (772 - 804) wurde auch unsere Region Teil des Frankenreiches. Die Schutzstation der fränkischen Soldaten lag in Sichtweite des Dorfes, ebenfalls am Seeufer und zwar dort, wo sich heute die Burg befindet. Die erste Holzkirche wurde um das Jahr 800 unter den wachsamen Augen der Soldaten direkt auf dem germanischen Thingplatz erbaut. Wie allgemein üblich wurde sie dem heiligen Martin von Tours geweiht. Dieser hatte nicht nur seinen Mantel mit dem Bettler geteilt, sondern war zugleich Schutzpatron des Frankenreiches.

Zum Ende des 11. Jahrhunderts wurde die Holzkirche durch eine mächtige Kirche aus Stein ersetzt. Vielleicht im Jahr 1263 war die neue Kirche mit imposantem Westwerk fertig gestellt (dieses Datum befindet sich auf der ältesten erhaltenen Moringer Glocke). Was wir heute im Oberdorf noch von der Martinikirche sehen, ist nur ein kleiner Teil des ursprünglichen Umfangs von 1263. Nach einer Blütezeit von etwa 300 Jahren verlor die Martinikirche im Spätmittelalter ihre Vorrangstellung und stand im Lauf der Jahrhunderte mehrmals kurz vor dem Verfall. Im Jahr 1982 wurde sie verkauft und befindet sich heute in Privatbesitz.

Martinikirche Moringen, Foto: Peter Pratsch 2023

Die Gründung der Stadtkirche

Das Oberdorf (die Siedlung aus germanischer Zeit rund um die heutige Martinikirche) und das Unterdorf (mit der Burg Moringen als Keimzelle) waren im Mittelalter getrennte Ortschaften. Die Einwohner unterstanden verschiedenen Obrigkeiten. Im Jahr 1374 stifteten die Herren von Rosdorf eine neu errichtete Liebfrauenkapelle innerhalb des befestigten Stadtgebietes von Moringen. Die Stadt Moringen wuchs weiter und so wurde 100 Jahre später mit dem Bau der Liebfrauenkirche begonnen, deren markanten Turm wir bis heute sehen. Die neu erbaute Liebfrauenkirche wurde im Jahr 1490 zur Pfarrkirche erhoben. Damit begann zugleich der Bedeutungsverlust der Martinikirche im Oberdorf. Zwei große Kirchen waren für eine Kleinstadt auf Dauer nicht zu tragen. Seit 1542 wird in der Liebfrauenkirche evangelisch gepredigt.

Stadtkirche St. Marien, 1490

Der schiefe Turm von Moringen

Zu Zeiten der germanischen Siedlung war die heutige Innenstadt von einem flachen See bedeckt. So ist es nicht verwunderlich, dass beim Bau des Kirchturms im 15. Jahrhundert enorme statische Probleme auftauchten. An der Westseite des Turms sehen wir bis heute, dass der erste Bauabschnitt des Kirchturms schon während des Baus seitlich absackte und daraufhin abgestützt und begradigt werden musste. Im ersten evangelischen Visitationsbericht aus dem Jahr 1542 heißt es über die gerade einmal 50 Jahre alte Stadtkirche, dass sie „merklich zerbrochen“ sei. Der fertige Turm neigte sich im Verlauf der Jahrhunderte immer weiter. In den Jahren 2010-2012 wurden Betonfundamente und eine Grundwassersperre unter dem Turm verbaut. Gut 500 Jahre nach seiner Erbauung ist der Turm damit endlich zum Stehen gekommen.

Neues Kirchenschiff mit Platz für jeden Bürger

Der weiche Untergrund hatte nicht nur Folgen für den Kirchturm, sondern auch für das Kirchenschiff. 1822 zeigen sich Risse im Gewölbe des mittelalterlichen Kirchenschiffs, sodass die Liebfrauenkirche ein Jahr später aus Sicherheitsgründen geschlossen werden muss. Die Gemeinde findet Unterschlupf in der Martinikirche. 1828 wird das alte Kirchenschiff abgerissen. Es dauert eine Generation, bis das Geld für einen Neubau beisammen ist. Von 1847 - 1850 entsteht das neue Kirchenschiff: eine klassizistische Hallenkirche mit Platz für jeden Moringer Bürger. Der alte Kirchturm bleibt stehen. Für Abriss und Neubau fehlen schlicht und einfach die Mittel. Die klassizistische Gestaltung macht die Liebfrauenkirche bis heute bei Hochzeitspaaren beliebt.

Liebfrauenkirche Moringen, Foto: Ulrich Paeslack 2023

Immer up to date

Das klassizistische Kirchenschiff hat schon einige Kunstvorstellungen kommen und gehen sehen. 1903 wird es in den Formen und Farben des Jugendstils ausgemalt. 1971 verschwinden diese Gemälde unter den damals modernen Weiß- und Gelbtönen. Und im Jahr 2019 wird die Kirche wieder grundlegend renoviert: Nun ist Weiß die vorherrschende Farbe. Und weil das irgendwie ein bisschen langweilig aussieht, entwickelt sich schnell die Idee mit einem Lichtkreuz und digital steuerbarer Hintergrundbeleuchtung in mannigfachen Farbvarianten.

Kirche mitten im Leben

Nachdem das Fundament des Kirchturms gesichert war, konnten 2013/2014 neue Gemeinderäume in der Liebfrauenkirche eingebaut werden. Unter der Orgel entstanden Winterkirche, Küche und Archiv. Im Kirchturm fanden das Kirchenbüro (EG), der Jugendraum (1. OG) und ein Materialraum (2. OG) Platz. Das alte Gemeindehaus in der Kirchstraße 7 konnte daraufhin verkauft werden.

Durch den Einbau der Gemeinderäume ist die Liebfrauenkirche zum Treffpunkt der Gemeinde geworden. In der Kirche kreuzen sich die Wege von Taufeltern und Trauerfamilien, Konfirmanden und Senioren, Musikern und Geflüchteten. Die alten Mauern begrüßen uns in moderner Gestalt. Auf dem Weg zum Gottesdienst gehen wir an der Küche entlang. Kaffeeduft weht uns entgegen. Die Winterkirche vermittelt die Behaglichkeit eines Wohnzimmers. Unsere Liebfrauenkirche ist eine Kirche mitten im Leben.

Giesecke-Orgel von 1850

Die Orgel in der Liebfrauenkirche Moringen steht auf der Westempore der Kirche und wurde 1850 von der Orgelbauwerkstatt Carl Giesecke (Göttingen) gebaut. Dabei wurde auch Pfeifenmaterial aus der 1743 erbauten Vorgängerorgel von Christian Vater verwendet.

Nach Umbauten um 1930 und 1950 wurde die Orgel 1976 von Firma Haspelmath aus Walsrode wieder in den etwaigen Originalzustand von 1850 zurückgeführt. Die Orgel verfügt über zwei Manuale und ein Pedal, 23 klingende Stimmen und rund 1600 Pfeifen.

l. Manual Hauptwerk C - f"' = 54 Töne

  • Bordun 16'
  • Principal 8'
  • Octave 4'
  • Octave 2'
  • Hohlflöte 8'
  • Gedeckt 8'
  • Terz 1 3/5'
  • Quinte 3'
  • Mixtur 5-fach 2'

Il. Manual Oberwerk C - f"' = 54 Töne

  • Lieblich Gedeckt 8'
  • Salicional 8'
  • Flauto Travers 8'
  • Principal 4'
  • Rohrflöte 4'
  • Waldflöte 2'
  • Octave 1'
  • Mixtur 3-fach 1'
  • Manualkoppel

Pedal C - d' = 27 Töne

  • Posaune 16'
  • Trompete 8'
  • Subbass 16'
  • Gedecktbass 8'
  • Violon 4'
  • Octavbass 8'
  • Pedalkoppel

Die Glocken der Liebfrauenkirche

Das Geläut der Liebfrauenkirche besteht aus 6 Glocken:

  • Glocke 1 | d'-3 | 1.627kg | d=1.350mm | 1959 FWS
  • Glocke 2 | g'-1 | 1.440kg | d=1.260mm | 14. Jahrhundert
  • Glocke 3 | a'-3 | 506kg | d=920mm | 1959 FWS
  • Glocke 4 | c''-3 | 294kg | d=770mm | 1959 FWS
  • Glocke 5 | e''+7 | 193kg | d=665mm | 13. Jahrhundert
  • Glocke 6 | f''-4 | 148kg | d=604mm | 20.06.1263

Glocke 6 ist die älteste und zugleich kleinste Glocke des Geläuts. Sie trägt das Datum 20.06.1263 und ist damit die älteste datierte Kirchenglocke in Südniedersachsen. Sie stammt aus der Martinikirche und wurde im Jahr 1568 in die Liebfrauenkirche überführt.

Glocke 5 ist die zweitkleinste Glocke und stammt ebenfalls aus dem 13. Jahrhundert, ist aber undatiert. Sie ist in einer ähnlichen Rippe gegossen wie Glocke 6. Die Töne der beiden Glocken liegen sehr dicht beieinander.

Glocke 2 ist die zweitgrößte Glocke des Geläuts und stammt aus dem 14. Jahrhundert. Sie weist eine sehr große Klangkraft auf und überzeugt vor allem im Klangbild.

Die Glocken 1, 3 und 4 wurden im Jahr 1959 bei Friedrich Wilhelm Schilling in Heidelberg gegossen.

Eine 7. Glocke aus dem Moringer Kirchturm, die dort überzählig war, hängt seit 1949 im Glockentürmchen der Friedhofskapelle und hat schon seit mehr als 400 Jahren die Moringer auf ihrem letzten Wege begleitet.

Geläutepräsentation 23.07.2019 (Angelusglocke)